4, 5 oder 6 – Wie viele Arbeitstage dürfen (sollen) es sein? (Teil 2)

Autor: Michael Knörzer

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Allgemein, Personal & Führung

4 Min. Lesezeit

Vor- und Nachteile der 4-Tage-Woche aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht

Im ersten Teil unseres Blogs hatten wir uns mit der historischen Entwicklung der Arbeitszeiten und Arbeitstage in Deutschland beschäftigt und diese auch im internationalen Vergleich eingeordnet. In diesem zweiten Teil zur aktuellen Diskussion zum Thema Wochenarbeitstage wollen wir auf einige ausgewählte Vor- und Nachteile eingehen, die teils auch etwas abseits der am häufigsten erörterten Argumente liegen.
Die Aspekte der Dauer und Lage der Arbeitszeit sind vielfältig: Hierzu gehören u.a. betriebswirtschaftliche, motivationspsychologische, soziologische sowie arbeitswissenschaftliche und arbeitsmedizinische Dimensionen. „Wichtig ist es mir zu betonen“, so Prof. Dr. Michael Knörzer, Leiter des APRIORI HR:LABs, „dass das Thema Wochenarbeitszeit und -lage kein ’Nullsummenspiel‘ ist. Unternehmen und Mitarbeiter sind dabei nicht in einer Situation wie bei Lohnverhandlungen, wo eine Seite etwas abgeben muss, damit die andere Seite etwas gewinnen kann. Hier können durchaus beide Seiten von neuen Ansätzen profitieren“. Dabei ist es bei der 4-Tage-Woche wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine Variante mit oder ohne Arbeitszeitverkürzung handelt: Wird einfach nur ein Arbeitstag gestrichen, werden also beispielsweise an vier statt an fünf Tagen jeweils acht Stunden gearbeitet, dann handelt es sich bei vollem Lohnausgleich um eine deutliche Erhöhung des Stundenlohns für die Mitarbeiter, da Sie für das gleiche Geld weniger Wochenstunden arbeiten müssen. Kann das für Unternehmen trotzdem interessant sein? „Durchaus“, meint Prof. Knörzer, „denn wir wissen aus vielen Studien, dass Arbeitszeitverkürzungen oft mit einem Anstieg der Produktivität der Mitarbeiter verknüpft sein können. Und dieser Produktivitätszuwachs kann unter Umständen sogar den Wegfall von 20% der Arbeitszeit durch einen Arbeitstag weniger mehr als kompensieren! Was den Arbeitnehmern aber durchaus bewusst sein muss: Das bedeutet oft eine zusätzliche Leistungsverdichtung während der Arbeitszeit, höheren Zeitdruck, möglicherweise ein gesteigertes Stressempfinden, sogar verstärkte Neigung zu Überarbeitung und anderes mehr. Plötzlich klingt das Modell deutlich weniger attraktiv, auch wenn die oft diskutierten Vorteile wie beispielsweise mehr Freizeit und geringerer Fahrtaufwand zur Arbeit natürlich bestehen bleiben“. Doch wie ist es mit dem oft angeführten Argument, dass eine 4-Tage-Woche den Krankenstand reduziert? „Das Argument ist zunächst einmal ein rein statistisches“, erläutert Prof. Knörzer: „Wenn ein Mitarbeiter statt 250 Tagen nur noch 200 Tage im Jahr arbeitet, dann ist er nach aller Wahrscheinlichkeit auch weniger während dieser Arbeitstage krank. Das entkräftet aber nicht das Argument aus der arbeitswissenschaftlichen Forschung, dass gleiche Leistungen in kürzerer Arbeitszeit eine Belastung darstellen, die sich auf der Ebene der Beanspruchung im Individuum vielfältig niederschlagen kann. Dazu gehören erst einmal physiologische beziehungsweise somatische Reaktionen wie erhöhte Herzfrequenz und höherer Blutdruck, höhere Ausschüttung an Adrenalin und Kortisol etc.. Aber auch das psychische Erleben von Anspannung, Frustration, Ärger oder Ermüdung können Reaktionen im Individuum sein. Das macht sich dann auf der Verhaltensebenen in nachlassender Konzentration und schlechterer Koordination und letztlich schwankenden Leistungen und mehr Fehlern bemerkbar. Auch das Sozialverhalten am Arbeitsplatz kann dadurch über vermehrte Konflikte, Streit und Aggressionen gegen andere leiden. Oder der Mitarbeiter zieht sich zunehmend aus dem Kollegenkreis zurück. Insgesamt erscheint mir das Konzept, die Arbeit von fünf Tagen in vier Tagen zu erledigen und zu hoffen, dass es schon irgendwie gut geht, zu vereinfachend gedacht. Hier müsste die Einführung der 4-Tage-Woche durch das Personalmanagement intensiv begleitet werden“.
Eine Alternative könnte die 4-Tage-Woche unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit sein. Doch auch diese Variante hat ihre Pros und Contras. „Wir wissen, dass Arbeitnehmer das Konzept durchaus ambivalent bewerten. Manche sind begeistert, weil sie einen freien Tag in der Woche gewinnen, ohne dass sich eine Leistungsverdichtung durch eine reduzierte Wochenarbeitszeit ergibt. Andere sehen durchaus Nachteile in dieser Regelung, da sich die tägliche Arbeitszeit deutlich erhöht. So wird bei einer 40-Stunden-Woche beispielsweise aus acht Arbeitsstunden pro Tag nun ein Zehn-Stunden-Arbeitstag. Hinzu kommen dann noch Pausen. Schon ist man elf Stunden im Büro hinzu kommen An- und Abfahrt … und plötzlich wird der Feierabend an diesen Tagen sehr kurz“, berichtet Prof. Knörzer. Viele Freizeitaktivitäten unter der Woche, die sich bei einem Acht-Stunden-Tag durchaus noch umsetzen lassen, sind dann kaum noch möglich. Und was bedeutet das für den Arbeitgeber? „Natürlich wirkt sich eine 4-Tage-Woche auf Prozesse aus. Stellen wir uns vor, Mitarbeiter A und B arbeiten an einem Projekt. Früher waren beide Montag bis Freitag im Einsatz, nun arbeitet A Montag bis Donnerstag, B Dienstag bis Freitag. Das bedeutet, dass sich die beiden regelmäßig vier Tage nicht sehen. Schlimmstenfalls vergehen 96 Stunden, bis sich beiden wieder zu einem Thema oder Problem austauschen können. Dass eine solche Konstellation Abstimmungen vereinfacht und Prozesse beschleunigt, ist wohl kaum zu erwarten“, nennt Prof. Knörzer ein Beispiel.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine 4-Tage-Woche kein Selbstläufer ist, sondern gut durchdacht, organisiert und begleitet werden muss, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer davon profitieren.  Doch wie steht es um die 6-Tage-Woche, die seit ihrer Einführung in Griechenland auch wieder verstärkt in Deutschland diskutiert wird. Dazu mehr in einem unserer nächsten Blogs.
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