Führung auf Distanz: Wie virtuelle Führung gelingt
Definition, Vorgehensweisen & Tipps – Das Homeoffice verändert alles
Alles sieht danach aus, dass Remote Work ein fester Bestandteil der modernen Arbeitswelt bleibt.
Daraus ergibt sich ein erheblicher Diskussionsbedarf zum Thema Personalführung.
Die alles entscheidende Frage: Wie kann Führung auf Distanz remote arbeitenden Teams zum Erfolg verhelfen?
Dass gute Führung den Ausschlag darüber gibt, wie motiviert Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen und wie gut die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse ist, sollte weithin bekannt sein. Seit dem Ausbruch der Pandemie haben allerdings selbst erfahrene Führungskräfte mit allerlei Unbekannten zu kämpfen. In vielen Unternehmen dominiert derzeit zum Beispiel das Modell „Führung auf Distanz“, auch virtuelle Führung oder remote Führung genannt.
Allerdings fehlen hierzu Erfahrungswerte und die richtigen Managementtools. Also führen viele Manager ihre Mitarbeiter noch wie zu Prä-Corona-Zeiten, was auf lange Sicht Unzufriedenheit nährt. Denn Führung auf Distanz ist völlig anders zu bewerten als etwa das bisherige Management by open Doors. Viele Routinen müssen völlig neu gedacht werden.
Führung auf Distanz: Herausforderungen & wichtige Schlussfolgerungen
„Auch wenn viele Entwicklungen in diesem Bereich noch nicht abschließend beurteilt werden können, so kann doch eine Erkenntnis festgehalten werden: Steuerungs- und Führungsstrategien werden sich komplett verändern“, betont Professor Knörzer, der sich für die APRIORI-Studie „Remote Work Strategy“ gemeinsam mit Co-Autor Sebastian Berblinger intensiv mit den Vor- und Nachteilen des Themas Führung auf Distanz auseinandergesetzt hat. „Große Herausforderungen bestehen sowohl im Rahmen der Führung zwischen Manager und dem einzelnen Mitarbeiter als auch der Führung ganzer Teams.“ Welche Auswirkungen das hat und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können, möchten wir Ihnen an zwei Aspekten darlegen.
#1 VIRTUELLE FÜHRUNG AUF DISTANZ BRINGT HERAUSFORDERUNGEN IN DER KOMMUNIKATION
Schätzungen zufolge findet bis zu 80 Prozent der Kommunikation auf der informellen Ebene am Arbeitsplatz statt. Beim raschen Gang ins Büro des Chefs etwa, beim Gespräch unter Kollegen im Flur oder beim gemeinsamen Lunch mit dem Team. Hier tauschen Mitarbeiter nicht immer nur rein Berufliches aus, aber auch. Und genau diese Gedanken sind häufig entscheidend.
„Gerade beim ungezwungenen Zusammensein entstehen häufig Geistesblitze, die in einem verabredeten Meeting keinen Platz haben, weil jeder auf die Tagesordnungspunkte fokussiert ist und nicht nach links oder rechts denkt“, sagt Studien Co-Autor und APRIORI-Vorstand Sebastian Berblinger. „Diese häufig sehr kreativen Gedankenblitze sind aber ungemein wichtig für die Produktivität, Innovation, Problemlösung und damit für den Unternehmenserfolg. Diese fehlen derzeit. Das kann negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben.“
Professor Michael Knörzer gibt seinem Vorredner Recht: „Selbst, wenn ein Teil dieser spontanen Kommunikation letztlich entbehrlich sein sollte, so stellt sich doch die Frage, was an wertschöpfender Kommunikation im Homeoffice verloren geht, beziehungsweise wie ein Teil davon aufgefangen werden kann. Hierfür müssen Betriebe die richtigen Modelle und Arbeitsweisen ausloten.“
Virtuelle Führung: Schaffen Sie Nähe statt Distanz
Eine mögliche Lösung für die Arbeitswelt der Zukunft: Mitarbeiter werden unter strengsten Hygienemaßnahmen regelmäßig zu Kreativ-Sessions in die Firma eingeladen, bei denen ganz bewusst eher das informelle Zusammensein im Vordergrund steht. Eventuell lassen sich auch ergänzende virtuelle Formate ausloten. Oder wie wäre es in einem völlig anderen Raum? Im Grünen zum Beispiel.
Sebastian Berblinger: „Wir alle sind ausgehungert nach sozialen Kontakten, umso mehr werden die Gedanken bei einem kreativen Zusammentreffen sprudeln. Diese können festgehalten werden und in neue kreative Projekte einfließen. Es ist wichtig, dass Modelle für die Führung auf Distanz den informellen Informationsfluss stärker mit einbeziehen.“
Führung auf Distanz erfordert neue Instrumente der Mitarbeiterführung
Eine weitere Herausforderung, die mit dem Thema virtuelle Führung oder Führung auf Distanz einhergeht: Mitarbeiter im Homeoffice sind nicht mehr so sichtbar für Führungskräfte wie vor der Pandemie. Wie sollen Manager da realistisch einschätzen können, welcher Arbeitnehmer zum Beispiel relevante Eigenschaften für eine Beförderung mitbringt?
„Der fehlende unmittelbare Kontakt von Mitarbeitern und Führungskräften stellt aber nicht nur bei der Karriereplanung, sondern auch bei Beurteilungs-, Belohnungs-/Sanktions- und Personalentwicklungsentscheidungen einen nicht zu unterschätzenden Verlust an Informationsgrundlagen dar“, sagt Professor Michael Knörzer. „Diese Informationslücken zu schließen, erfordert aktuell einen höheren kommunikativen Aufwand von Führungskräften, was die Zeit für andere wichtige Aufgaben knapp werden lässt. Und schlimmstenfalls sind die auf diesen Informationen basierenden Entscheidungen dennoch nicht verlässlich oder fehlerhaft.“
Warum Führung auf Distanz nach neuen Kennzahlen verlangt
Wie geht es anders? In der APRIORI-Studie „Remote Work Strategy“ heißt es dazu: „Für Unternehmen wird es wichtig sein, neue Wege zu einer leistungsgerechten Mitarbeiterbeurteilung für Vergütung- und Beförderungentscheidungen zu finden. Eine wichtige Rolle dürfte dabei dem Einsatz von KPIs (Key Performance Indicators) zukommen, die für diese Mitarbeiter die unmittelbare Beobachtung und Steuerung durch die Führungskraft ersetzen müssen.“
Hierbei sollten sich Unternehmen aber nicht mehr ausschließlich auf Output- und Outcomegrößen fokussieren, um Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten ihrer Mitarbeiter zu ziehen. Das greift, laut Professor Michael Knörzer, bei der Führung auf Distanz zu kurz. Denn wichtige Aspekte, die bei der direkten Zusammenarbeit wahrgenommen werden, bleiben im virtuellen Raum ungesehen. „Mitarbeiter mit Potenzial können im Homeoffice zum Beispiel Pech haben und schlechte Resultate erzielen, umgekehrt können mäßig motivierte Mitarbeiter unter günstigen Bedingungen ungewöhnlich erfolgreich sein. Wer sich nur auf Ergebnisse konzentriert, erhält einen falschen Eindruck.“
Daher wird der Identifikation neuer oder zusätzlicher KPIs zur Unterstützung der Führung- und Steuerungsprozesse im Unternehmen künftig eine große Rolle zukommen. Knörzer: „Hier gibt es allerdings keine Blaupause für Unternehmen. Je nach Branche und Tätigkeit kommen dabei andere, teilweise sehr individuelle KPIs infrage.“
Fazit: Mit neuen Führungsmodellen lassen sich Potenziale ausschöpfen
Diese Überlegungen bringen uns zu folgendem Fazit: Viele Vorteile der Teamführung an einem Ort fallen beim Führen auf Distanz weg. Gleichzeitig bieten virtuelle Teams aber auch viele neue Chancen. Zum Beispiel können sie nahtlos orts- und zeitübergreifend zusammenzuarbeiten. Das schafft vor allem bei global agierenden Unternehmen viele neue Spielräume.
Allerdings sind viele Führungskräfte nicht gut vorbereitet, um die Vorteile der Remote Work voll ausschöpfen zu können. Mit den richtigen Organisationsstrukturen und der richtigen Unternehmenskultur gelingt es jedoch, Arbeitnehmer weiterhin erfolgreich zu führen und zu motivieren. So lassen sich auch in Zukunft die gesteckten Ziele erreichen.