Karrieremodelle: Warum ‚Up or Out‘ ausgedient hat

Autor: Michael Knörzer

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Allgemein, Personal & Führung

5 Min. Lesezeit
Karrieremodelle: Warum 'Up or Out' ausgedient hat
  • Oben das Top-Management, dazwischen das Middle-Management und an der Basis die Fachkräfte – dieses klassische Karrieremodell in Unternehmen hat in agilen Umfeldern wie der IT zunehmend ausgedient.
  • Für die neuen Karrieremodelle in Unternehmen gibt es allerdings keine Patentlösung.
  • Sie müssen hochindividuell gestaltet werden.

Warum die klassische Karrierepyramide obsolet ist 

Klassisch gestalteten sich Karrieremodelle in Unternehmen über Jahrzehnte hinweg in Pyramidenform. Am unteren Ende die breite Basis ausführender Mitarbeiter. In der mittleren Position die Teamleiter und an der Spitze das Top-Management. Aber ist das noch zeitgemäß?

„Diese Frage haben wir uns im Rahmen unserer Studie ‚Karrieremodelle in der IT- Branche‘ gestellt“, sagt Professor Michael Knörzer, Studienautor und Leiter des HR:LAB von APRIORI. „Dass wir für unsere Untersuchung beispielhaft die IT-Branche ausgewählt haben, kommt nicht von ungefähr – kaum ein Sektor ist von einer höheren Agilität geprägt. Umso mehr drängt sich die hier die Frage auf, inwiefern traditionelle Karrierevorstellungen noch mit der dort vorherrschenden hochflexiblen Arbeitsweise zusammenpassen. Wer hochflexibel arbeitet will möglicherweise nicht sein Leben lang in einem sehr starren Karrieremodell gefangen sein.“

Von unten nach oben – Hat dieses Karrieremodell ausgedient? 

Tatsächlich verhält sich das klassische Karrieremodell wie eine Einbahnstraße. Es lässt nur eine Bewegung zu: Von unten nach oben. Unvereinbar mit der tradierten Karriereplanung sind hingegen flexible Wechsel in der Hierarchiestufe.

  • Gänzlich undenkbar ist zum Beispiel der Abstieg aus der Top-Etage zurück zur Basis.
  • Ebenso wenig vorgesehen ist eine horizontale Bewegung innerhalb des eigenen Fachbereichs – zum Beispiel in Form einer Fachkarriere mit Expertenstatus.
  • Auch alles andere als Gang und Gäbe: Eine eingeschränkte Führungsverantwortung innerhalb einer Fachkarriere, was einer diagonalen Bewegung innerhalb der Karrierepyramide entspräche.

„Wie wir bei unseren Befragungen feststellen konnten, ist die Einführung paralleler Laufbahnen, insbesondere im Fall der Expertenkarriere, jedoch vielfach der Wunsch von fachlich hochqualifizierten Mitarbeitern“, resümiert Co-Autor der Studie und APRIORI-Vorstand Sebastian Berblinger. „Dies kann für diejenigen Mitarbeiter relevant sein, die einen Einstieg in eine klassische Managementkarriere mit Erfolgs-, Budget- und Personalverantwortung entweder nicht anstreben oder aufgrund des Fehlens bestimmter Managerqualitäten vom Unternehmen für derartige Positionen als nicht geeignet angesehen werden. Fachlich und inhaltlich sind sie aber so brillant, dass ihnen für die eigene Selbstverwirklichung eine individuelle Karriereoption angeboten werden muss.“

Warum sich eine erhöhte Flexibilität für Unternehmen auszahlt 

Aber auch in anderen Situationen sollten sich Karrieremodelle flexibler und situativer auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern anpassen lassen können. Was spräche zum Beispiel dagegen, wenn Mitarbeiter abhängig von der persönlichen Situation innerhalb der Hierarchiestufen flexibel auf- und absteigen könnten? Angenommen, eine Führungskraft möchte sich verstärkt um ihren noch jungen Nachwuchs kümmern. Warum sollte sie nicht wieder zeitweise ihre einstige Fachfunktion im Team wahrnehmen? Sobald es die persönlichen Bedürfnisse wieder zulassen, steht einem neuerlichen Aufstieg im Unternehmen nichts mehr im Wege.

Die erhöhte Flexibilität zahlt sich aus: HR-Verantwortliche schreiben passgenauen Karrieremodellen vor allem eine Bindungsfunktion (72%) zu, die mit messbar positiven wirtschaftlichen Effekten einhergeht, wie das folgende Beispiel aus unserer Studie zeigt:

Quelle: Studie ‚Karrieremodelle in der IT- Branche‘

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht spricht also alles für die Adaptierung der unternehmenseigenen Karrieremodelle. Doch welche Faktoren müssen bei der Etablierung der richtigen Angebote beachtet werden? Um diese Frage zu beantworten, möchten wir Ihnen 5 essentielle Thesen aus unserer Studie vorstellen.

#1 KARRIEREMODELLE BEFINDEN SICH IM SPANNUNGSFELD VON BESTÄNDIGKEIT UND ANPASSUNG

Karrieremodelle dürfen sich der hohen Veränderungsgeschwindigkeit persönlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nicht verschließen. Stattdessen müssen sie auf jede Situation schnell anpassbar und adaptierbar sein. Die Abstimmung des Karrieremodells auf bestehende Rahmenbedingungen ist also keine einmalige, sondern eine fortlaufende Angelegenheit und wird die Verantwortlichen permanent beschäftigen. Denn äußerliche Rahmenbedingungen und die damit einhergehenden Bedürfnisse der Mitarbeiter veränderten sich nie schneller.

#2 DER WERTEWANDEL ERREICHT DIE IT-BRANCHE

Viele individuelle Karrierepräferenzen haben sich bei IT-Fach- und Führungskräften in den vergangenen Jahren erheblich verschoben. Insbesondere der Wunsch nach einer besseren Integration von Beruf, Familie und persönlichen Interessen hat in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen und sollte in Karriereangeboten stärker abgebildet werden.

#3 MANAGEMENTLAUFBAHNEN SIND UNVERZICHTBAR

Die stärkere Fokussierung vieler Mitarbeiter auf eine bessere Work-Life-Integration sollte allerdings nicht zu der irrigen Annahme führen, dass gleichzeitig Hierarchiestufen abgebaut werden könnten. Eine klassische Führungskarriere mit dem Erreichen einer hohen Karrierestufe ist für einen großen Teil der Befragten immer noch das überragende Karriereziel. Gleichzeitig finden sich viele der Befragten jedoch in einer von ihnen eher ungeliebten Projektmanagerlaufbahn.

#4 KARRIEREZUFRIEDENHEIT VERRINGERT DIE FLUKTUATION

Nur ein auf sämtliche Bedürfnisse innerhalb der Mitarbeiterschaft angepasstes Karrieremodell schafft die Grundlage für Mitarbeiterzufriedenheit und Bindung. Die Gefahr einer erhöhten Fluktuation bei weniger passgenauen Karrieremodellen ist daher überdurchschnittlich hoch. So sind laut unserer Studie 47 Prozent Befragten eher bereit zu kündigen, als eine Tätigkeit anzunehmen, die beispielsweise ihre Möglichkeiten einschränkt, sich um persönliche Belange oder um das Privatleben und die Familie zu kümmern.

#5 KARRIEREMODELLE ERFORDERN EINE ZIELGRUPPENORIENTIERTE GESTALTUNG

Es gibt folglich keine „One-Size-fits-all“-Lösung für die Karrieremodelle innerhalb eines Unternehmens. Stattdessen muss die Laufbahnplanung sehr individuell erfolgen und den doch sehr unterschiedlichen Präferenzen einzelner Mitarbeiter Rechnung tragen, damit Unternehmen von positiven Effekten wie einer erhöhten Bindung und einer niedrigeren Fluktuation profitieren können.

Fazit

Wir haben gesehen: In einer wandelbaren, global vernetzen Arbeitswelt, in der Arbeitnehmer stärker denn je die Verwirklichung eigener Bedürfnisse und Präferenzen in den Vordergrund stellen, gehen stark vereinheitlichte Karrieremodelle wie das klassische Pyramidenmodell nicht mehr auf. Sie gehen in den meisten Fällen an der Lebensrealität der Arbeitnehmer vorbei.

Statt stark durchstrukturierter Karrieremodelle müssen Unternehmen den Mitarbeitern individuellere Möglichkeiten eröffnen und ihnen die Wahlfreiheit lassen, genau den Karriereweg einzuschlagen, der sich am besten mit ihren Neigungen vereinen lässt. Diese Investition in die Zufriedenheit der Mitarbeiter zahlt sich aus. Denn sie erhöht die Bindung und senkt die Wechselabsicht des einzelnen. Wie wir gesehen haben, ist das für Unternehmen ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Faktor.

„Was die Bindungswirkung der aktuellen Karrieremodelle betrifft, sind erhebliche Zweifel angebracht, ob tatsächlich allen Unternehmen die Gestaltung ihres Karrieremodells so gelungen ist, wie sie es selbst sehen“, warnt Professor Micheal Knörzer. „Kurioserweise lassen die Ergebnisse unserer Befragungen ausgerechnet an der Überbetonung von Projektkarrieren und dem konsequenten Abbau von Hierarchieebenen aufkommen.“ Hier müsse dringend nachgebessert werden.

 

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