Moralische Bedenken im Job: Wie damit umgehen?
Diese Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der japanische Forscher Hiromitsu Nakauchi hat ein Mischwesen aus Mensch und Tier erschaffen und lässt es bis zur Geburt heranreifen. Für Kritiker wie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ist das ein „ethischer Megaverstoß“. Es gibt aber auch Fürsprecher. Die Debatte ist kein Einzelfall. Gerade in den Life Sciences überschreiten Wissenschaftler immer mal wieder ethische Grenzen. Wir haben uns gefragt: Wie gehen Arbeitnehmer in diesem Bereich damit um, wenn bei ihnen derartige moralische Bedenken im Job aufkommen? Oder lässt sich ein solches Szenario durch eine geschickte Auswahl des Arbeitgebers von vornherein vermeiden?
Mischwesen soll Leben retten
Soviel vorab: Die Chimäre, also das Mischwesen aus Mensch und Ratte, das derzeit in Hiromitsu Nakauchis Labor heranwächst, ist keinem kranken Geist entsprungen. Der Versuch hat einen ernsten Hintergrund: Zu viele Kranke warten zu lange auf ein Spenderorgan. Wissenschaftler Nakauchi will das mit seiner Forschung ändern.
Sein Ziel: Menschliche Organe in Tieren züchten, die dann transplantiert werden können. Nakauchi will in seinem Experiment zunächst testen, ob menschlichen Zellen überhaupt in nicht-menschlichen Körpern wachsen können. Leben wird die Chimäre nie. Aber ist so etwas ethisch vertretbar?
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Mensch spielt Gott
Ein klares „Nein“ kommt von dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. „Das ist ein (…) ethischer Megaverstoß“, sagte er gegenüber dem SPIEGEL. Mit der genetischen Veränderung versuche man, „sich selbst zu Göttern zu machen“. Ganz anders sieht das Christiane Woopen von der Uniklinik Köln. Sie sagt: Aus ethischer Sicht überschreiten die Forscher in Japan keine rote Linie.
So jedenfalls zitiert die Berliner Morgenpost die Medizinethikerin. In dem Artikel heißt es: „Bei Mischwesen rege sich zwar ein ungutes Gefühl, aber man müsse sich nach den Argumenten fragen. (…) Woopen sagte, sie halte das vorsichtige Vorgehen der Japaner für vertretbar. Auch fundamentalen Prinzipien des Ethikrates widerspreche das Unterfangen nicht.“
Die Debatte zeigt: Eine eindeutige Haltung zu dem Experiment gibt es nicht. Aber was tun in solchen Fällen eigentlich die beteiligten Forscher, wenn sich bei ihnen plötzlich moralische Bedenken im Job einstellen? Gerade in den Life Sciences reißen Wissenschaftler immer wieder ethische Grenzen ein – oft auch in Verbindung mit Kollegen aus der IT und dem Engineering.
Moralische Bedenken im Job – Was tun?
Denken wir nur an die spektakulären Berichte aus Wissenschaft und Forschung von immer mächtigeren künstlichen Intelligenzen, genmanipulierten CRISPR-Babys, neuen Quantentechnologien, möglicher Lebensverlängerung durch Veränderung unserer Gene, Supermedikamenten, Fleisch aus 3D-Druckern bis hin zu Wunder-Nanomaterialen.
Tag für Tag erreichen uns derartige Nachrichten über den rasanten technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Meist gibt es gute Argumente dafür. Mindestens genauso oft heben aber auch Ethikexperten mahnend den Finger. Entsprechen könnten auch die Wissenschaftler selbst, die in den jeweiligen Innovationsbereichen arbeiten, durchaus einmal in die Verlegenheit kommen, für sich eine fundamentale Entscheidung treffen zu müssen: „Gehe ich den nächsten Schritt noch mit oder sind meine moralischen Bedenken im Job einfach zu groß?“
Dass moralische Bedenken im Job nicht nur in der Wissenschaft, sondern in vielen Bereichen der Wirtschaft zum Alltag gehören, belegt die repräsentative Studie „The Real Future of Work“ von Gallup. „Lediglich rund jeder Fünfte glaubt ohne Wenn und Aber, dass sein Unternehmen nicht nur egoistisch nach Profit strebt und den eigenen Vorteil im Blick hat“, bringt die Personalwirtschaft eines der Kernergebnisse auf den Punkt.
Es gibt keinen Masterplan
Eine Verhaltens-Blaupause, was zu tun ist, wenn moralische Bedenken im Job überhandnehmen, liefert die Studie aber nicht. Sie nimmt stattdessen das Personalmanagement und Management in die Pflicht. Mitarbeiter müssten innerhalb der Personalentwicklung sensibilisiert und angehalten werden, ihren eigenen moralischen Kompass bei der Arbeit zu nutzen. Hier sei der direkte Vorgesetze das A und O – auch in modernen Unternehmen, die auf Eigenverantwortung und nicht hierarchiebezogene Denkweisen setzen. So jedenfalls wird Studienautor Marco Nink, Lead Research & Analytics EMEA bei Gallup zitiert.
Erfahrene Personalberater, die hochspezialisierte High Potentials aus den Bereichen Life Sciences, IT und Engineering bei der Karriereplanung unterstützen, sehen das ein wenig anders. Sie sehen auch die Arbeitnehmer in der Pflicht. Wer sich bereits bei der Karriereplanung genau über einen Arbeitgeber informiert, könne verhindern, dass eines Tages die Moralfalle über ihm zuschnappt. Jobanwärter, die einmal in derart spezialisierten Bereichen arbeiten wollen, in denen eine moralische Gratwanderung vorprogrammiert ist, sollten bei der Auswahl des Arbeitgebers sehr genau vorgehen.
Karriereplanung mit Bedacht
Sie sollten klären:
- Wofür steht das Unternehmen?
- Welche Werte vertritt es?
- Welche Visionen verfolgt es?
- Welche Werteversprechen macht es gegenüber Kunden, gegenüber eigenen Mitarbeitern, gegenüber Investoren?
- Sind diese deckungsgleich oder ergeben sich im direkten Vergleich Inkongruenzen?
In der Regel lassen sich diese Fragen bereits durch eine intensivere Internetrecherche beantworten – auch der Personalberater kann mit den eigenen Erfahrungswerten kompetent unterstützen. Relevante Quellen sind außerdem Anlegerberichte, Börsenberichte, Medienberichte, Arbeitnehmerberichte und, und, und. Hier lässt sich leicht ausloten, ob es sich um einen tendenziell integren Arbeitgeber mit moralisch vertretbaren Absichten handelt oder nicht. Und so findet dann auch wirklich von Anfang an zusammen, was zusammen gehört – fachlich und moralisch.