Nach welchen Kriterien stellt man eine Nationalmannschaft zusammen?
Prof. Dr. Michael Knörzer, Leiter des Center of Expertise der APRIORI business solutions AG, im Gespräch mit Alois Pollmann-Schweckhorst, Nationaltrainer der norwegischen Springreiter und selbst ehemaliger Nationenpreispreisreiter für Deutschland. Die gemeinsame Erkenntnis: Das Managen von Teams ist dem Managen von Abteilungen mehr als ähnlich. (Den Beitrag können Sie hier auch als Video abrufen)
Herr Pollmann-Schweckhorst, Sie haben über 40 Nationenpreise für Deutschland absolviert – im Fußball wären das Länderspiele. Jetzt haben sie die Seiten gewechselt und sind Trainer der norwegischen Springreiter geworden. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Nun, ich definiere mich zunächst immer noch als Springreiter, werde aber zunehmend mehr ins Trainergeschäft einsteigen. Da ist es natürlich eine große Herausforderung, gleich als Nationaltrainer zu agieren, aber bisher macht es mir Spaß.
Mannschaftssport und Projektmanagement – kein Gegensatzpaar
Ihr Ziel sind perspektivisch die Olympischen Spiele 2016 in Rio und 2020 in Tokyo. Im Projektgeschäft spricht man häufig von ‚Meilensteinen‘, wenn man ein großes Ziel erreichen möchte. Wie wichtig sind Etappenziele auf dem Weg nach Olympia für Sie?
Allgemein im Sport ist so etwas sehr, sehr wichtig. Auch bei uns im Springsport, vor allem weil wir versuchen müssen, mit unseren Pferden einen gewissen Rhythmus zu finden. Pferde sind auch nicht in der Lage, immer ihre Spitzenleistungen abzurufen. Das heißt konkret: Wir haben jede Saison ein bis zwei Highlights. Eines ist zum Beispiel das Nationenpreisfinale in Barcelona, das andere die Europameisterschaft 2017 in Göteborg. Als Wettbewerb in einem skandinavischen Nachbarland sind die norwegischen Springreiter darauf natürlich besonders heiß. Die Olympischen Spiele als solche sind die großen Ziele und enorm wichtig für Weiterentwicklung, Investitionen und Sponsoren in unserem Sport.
Stichwort ‚Projektmanagement‘. Eine der wichtigsten Aufgaben eines Projektmanagers ist es, ein Team zusammenzustellen. Das ist auch Ihre Aufgabe als Nationaltrainer, die richtigen Reiter-Pferde-Paare zu nominieren. Was sind ihre Kriterien für die Teamzusammenstellung?
Beim Springreiten ist es ganz wichtig: der Reiter sollte gute Fähigkeiten haben, auch eine gewisse Erfahrung. Ganz entscheidend sind aber auch das Talent und die Entwicklung des Pferdes. Und natürlich, wie gut die beiden zusammenpassen. Letztlich muss dann der Reiter noch ins Teamumfeld passen. Die Teamfähigkeit muss ich aber erst kennenlernen und kann sie nicht als Voraussetzung annehmen.
Diversity – die Mischung muss stimmen
In einem norwegischen Zeitungsbeitrag habe ich eine Aussage von Ihnen gefunden, in der Sie sagen, dass die Mischung zwischen jüngeren und älteren Reitern im Team stimmen muss. Im Unternehmenskontext könnte man das als ‚Diversity Management‘ bezeichnen. Warum ist
das aus Ihrer Sicht so wichtig?
Die ‚alten Hasen‘ müssen den Jungen Sicherheit geben. Sie können nur mit einer gesunden Mischung aus erfahrenen und unerfahrenen Reitern Spitzenleistungen erwarten. Weil im Mannschaftssport auch ein gewisser Druck im Team aufgebaut wird, brauche ich in einer Mannschaft mit vier Reiter auch mindestens zwei, die gelernt haben, mit diesem Druck umzugehen.
Im Reitsport gibt es eine große Besonderheit: Männer und Frauen dürfen gemeinsam ein Team bilden. Inwieweit ist diese Art Mischung tatsächlich wichtig für den Mannschaftserfolg?
Die Amazonen haben gezeigt, dass sie leistungsmäßig genau so gut sind wie ihre männlichen Kollegen. Daher ist hier die Mischung an sich nicht so wichtig. Gerade in den letzten 20 Jahren hat sich da unheimlich viel verändert. 1999 war das erste Mal im deutschen Springsport, dass eine Frau – eine Amazone – Mitglied eines deutschen Championatsteams wurde. Das war Meredith Michaels-Beerbaum in Hickstead und sie hat damit die Tür für viele nach ihr aufgestoßen.
Personalentscheidungen richtig kommunizieren
Ich habe ein weiteres Zitat von Ihnen gefunden, in dem sie sagen, dass es gerade für jüngere Reiter sehr wichtig ist, in internationalen Wettbewerben festzustellen, dass das Reiten im Team etwas anderes ist als das Reiten im Einzelwettbewerb.
Es ist die Verantwortung. Die Verantwortung den anderen Reitern im Team gegenüber und nicht zuletzt der Nation gegenüber. Das eigene Ergebnis wird auf das Gesamtergebnis des Teams umgerechnet. Das zählt und man kann sich nicht im Team verstecken, wie vielleicht in anderen Mannschaftssportarten.
Wenn Sie ihr Team zusammenstellen dann bedeutet das natürlich, dass einige Kandidaten nicht nominiert werden. Wie kommunizieren Sie diese Personalentscheidungen den Reitern gegenüber?
Das ist überhaupt in meinem Amt als Nationaltrainer in Norwegen mit das Schwierigste: Diese Personalentscheidungen zu treffen. Ganz wichtig ist, die Gründe für die Entscheidung zu kommunizieren. Die Betroffenen müssen genau wissen: Warum ist die Entscheidung so gefallen? Und das muss verbunden werden mit einer Perspektive, mit einer Chance. Die kann nächste Woche kommen oder nächsten Monat. Der Reiter muss wissen: mit ihm wird geplant. Diejenigen, die draußen bleiben, sollen wissen, dass es mit dem aktuellen Leistungsstand zu tun hat. Daran muss ich mich als Verantwortlicher orientieren. Man muss den Betroffenen aber auch signalisieren: wenn du ein paar Prozent drauflegst, bist du das nächste Mal wieder mit dabei. Hier gilt es, den Leuten auch eine Motivation zu geben, sich nochmals zu steigern, so dass Sie durch erhöhten Einsatz wieder eine offene Tür ins Team finden.
Anders als Personalverantwortliche in Unternehmen treffen Sie Ihre Entscheidungen im Licht der Öffentlichkeit. Inwieweit beeinflusst das Ihre Entscheidungen und inwieweit haben Sie gelernt, zu möglichen unpopulären Entscheidungen zu stehen?
Ich glaube, es ist wichtig, so zu argumentieren, dass man auch vor der Öffentlichkeit bestehen kann. Trotzdem: Es geht um Leistungen und am Ende um das Ergebnis.
Das Team richtig motivieren
Das Thema ‚Motivation‘ zieht sich durch die gesamte Managementliteratur. Inwieweit müssen Hochleistungssportler von Ihnen als Nationaltrainer überhaupt noch motiviert werden.
Hochleistungssportler sind auch Menschen. Die haben gute Zeiten und schlechte Zeiten. Wichtig ist es dann, als Trainer darauf zu reagieren. Auch zu sagen: ‚Du musst noch eine Schippe drauflegen, ich erwarte eigentlich mehr von dir‘. Oder einem anderen, bei dem man merkt, dass er sich zu sehr unter Druck setzt, zu sagen: ‚Mache in Ruhe so weiter, ich habe dich auf dem Schirm‘.
Habe Sie sich auf Ihre Aufgabe als Nationaltrainer vorbereitet, indem sie ein Buch zum Thema ‚Führung‘ oder ‚Motivation‘ gelesen haben? Oder machen Sie das aus Ihrem Erfahrungswissen?
Ich habe mich nicht speziell vorbereitet, aber natürlich habe ich mir natürlich im Umfeld der Vertragsverhandlungen etwas Wissen zu dem Thema angeeignet. Bisher bin ich damit sehr gut ausgekommen.
Herr Pollmann-Schweckhorst, vielen Dank für das sehr interessante Interview. Zum Abschluss noch eine Frage: Hätten Sie als Nationaltrainer denn gerne den Springreiter Pollmann-Schweckhorst in Ihrem Nationalteam?
Unbedingt, und meistens immer!