Rezession: Welche Chancen Unternehmen und Arbeitnehmer jetzt nutzen sollten!
Glaubt man Experten, bewegt sich Deutschland nicht nur auf eine Rezession zu. Wir befinden uns schon mitten drin. Das mag sich nach einer langen Phase, in denen die Auftragsbücher in allen Wirtschaftsbereichen prallvoll waren, noch nicht so anfühlen. Doch die aktuellen Arbeitsmarktzahlen belegen schwarz auf weiß: Die Wirtschaftskraft lässt nach. Manche Arbeitgeber reagieren darauf bereits mit Stellenkürzungen. Es geht aber auch anders. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch aktiv die Chancen der Situation für sich nutzen.
Rezession: Die fetten Jahre sind vorbei
Es ist nicht mehr zu leugnen: Die prallen Jahre in Deutschland scheinen vorerst vorbei zu sein. Insbesondere Industriebetriebe vermelden Auftragsrückgänge. Gründe dafür gibt es viele. Handelskonflikte, die insgesamt schwächere Weltkonjunktur und die anhaltende Brexit-Unsicherheit machen derzeit vor allem exportabhängigen Industriezweigen das Leben schwer.
Betroffen von der Rezession sind vor allem diese Branchen:
- Textilindustrie
- Hersteller für elektrische Ausrüstungen
- Unternehmen der Metallerzeugbearbeitung
- Hersteller von Metallerzeugnissen
- Maschinenbau
- Autobranche
- Hersteller von Papier und Pappe
Die ersten Ausläufer des Konjunkturabschwungs manifestieren sich bereits in Zahlen. Im Frühjahr sagten die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, ifo, IfW Kiel, IWH und RWI für das laufende Jahr noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,8 Prozent voraus. Diesen Wert korrigierten sie nun um 0,3 Prozent nach unten. Auch für 2020 geben sich die Konjunkturforscher nicht mehr ganz so optimistisch wie zu Jahresbeginn. Sie senkten ihre Prognose von 1,8 auf 1,1 Prozent.
Entlassungen und Sparprogramm
Was nach verhältnismäßig kleinen Zahlensprüngen aussieht, hat in der Wirtschaft bereits erhebliche Auswirkungen. In der Industrie reagieren Arbeitgeber auf die Rezessionsprognose mit Entlassungen und Sparprogrammen. Doch sind derart massive Restrukturierungsprogramme wirklich der Weisheit letzter Schluss? Was, wenn die Konjunktur unvorhergesehen wieder anzieht und Aufträge dann nicht mehr abgearbeitet werden können, weil es genau an den Fachkräften mangelt, von denen sich der Arbeitgeber ein paar Monat zuvor verabschiedet haben?
Wer weiß das schon in einer Zeit, in der sich politische Verhältnisse, Auftragslagen oder Kundenbedürfnisse über Nacht wandeln können? Selbst mit einer guten Kenntnis der Märkte, Branchen und Unternehmen lassen sich nur vage Prognosen treffen, wohin der Trend tatsächlich geht. Die Gefahr ist also groß: Wer jetzt übereilt die falschen Entscheidungen trifft, um das eigene Unternehmen gesund zu schrumpfen, könnte am Ende als Verlierer dastehen.
So manchen Unternehmen hat aus der vergangenen Rezession gelernt
So manches Unternehmen hat bereits derartige Erfahrungen gemacht und seine Lehre aus der Vergangenheit gezogen. Hier ist man bestrebt, möglichst wenig hochqualifizierte Mitarbeiter in Produktion und im Management durch Entlassungen zu verlieren. Hier weiß man bereits, dass man langfristig nicht auf die Kompetenzen dieser Schlüsselmitarbeiter verzichten kann.
Professor Michael Knörzer, Leiter des HR:Lab bei APRIORI und Studienleiter an der eufom Business School in Frankfurt, findet diese Entscheidung begrüßenswert: „Unternehmen haben in der Wirtschaftskrise vor zehn Jahren schmerzhaft erleben müssen, dass ein überstürzter Personalabbau mittel- und langfristig schädlich ist. Fach- und Führungskräfte, die heute entlassen werden, sind später nur noch unter hohem Aufwand – falls überhaupt – wieder zu beschaffen.“
Kurzarbeit statt Stellenstreichungen in der Rezession
Das Mittel der Wahl: Kurzarbeit statt Stellenstreichungen. Eines von den prominenteren Beispielen, die diesen Weg gehen, ist der Automobilhersteller BMW. Er hält an tausenden Hochqualifizierten fest, indem er sie nicht vor die Tür setzt, sondern lediglich die Arbeitszeiten kürzt – bei entsprechender Gehaltsanpassung. Auch im Opel-Stammwerk in Rüsselsheim werden Mitarbeiter erstmal sechs Monate lang kürzer treten. Hier hat man sich für das Instrument der Kurzarbeit entschieden.
Das sind keine Einzelfälle. Laut einer Erhebung des Ifo-Instituts erwarten 12,4 Prozent der Arbeitgeber im verarbeitenden Gewerbe in den nächsten ein, zwei Quartalen Kurzarbeit einführen zu müssen. „Damit hat die Anzahl der Unternehmen mit Kurzarbeit ein Niveau erreicht, das zuletzt auf dem Hochpunkt der Rezession 2012/13 gemessen wurde“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Ifo-Experten Timo Wollmershäuser. Die Zahl der Kurzarbeiter sei damals auf knapp über 100.000 gestiegen.
Arbeitsmarkt kommt in Schwung
Aber einmal völlig unabhängig davon, welchen Weg, Organisationen nun einschlagen, um ihre Wirtschaftskraft zu sichern. Fest steht: Der Arbeitsmarkt kommt durch den Abschwung wieder in Bewegung. Und das bringt nicht nur Schlechtes mit sich. Im Gegenteil. „Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten ergeben sich große Chancen am Arbeitsmarkt für beide Seiten. Wenn man weiß, wie der Markt funktioniert“, betont Sebastian Berblinger, Vorstand bei APRIORI.
Wenn schon einmal weniger zu tun ist, lässt sich die gewonnene Zeit zum Beispiel für Zukunftsinvestitionen nutzen. Phasen der Kurzarbeit lassen sich etwa für die gezielte Weiterentwicklung der Beschäftigten nutzen. Zieht die Konjunktur dann wieder an, verfügt die Belegschaft über zugespitztes Fachwissen und kann sich besser als bisher einbringen. Unternehmen profitieren so ganz erheblich von einer gesteigerten Innovationsdichte und einer stärkeren Wirtschaftskraft.